
All We Imagine as Light
In meist meditativer Gelassenheit, aber dennoch sehr intensiv erzählt, die Filmemacherin Payal Kapadia in ihrem Spielfilmdebüt von drei sehr unterschiedlichen Frauen in Mumbai, die in einem Krankenhaus arbeiten. Dabei beobachtet sie die Freundschaft von Prabha, Anu und Parvati mit dokumentarisch geschärftem Blick und feiner Sensibilität, aber auch ihren Alltag in einer sehr gegensätzlichen Stadt, die von Tradition und Lebensfreude ebenso geprägt ist wie von technischem Fortschritt und Massenelend.
Die Krankenschwester Prabha lebt mit ihrer jüngeren Kollegin und Mitbewohnerin Anu in Mumbai. Prabha hat sich von ihrem Ehemann entfremdet und versucht, ihr vergangenes Leben zu vergessen. Stattdessen stürzt sie sich in die Arbeit. Als Prabha von ihrem Mann ein unerwartetes Geschenk erhält, bringt das ihr Leben gehörig durcheinander. Währenddessen ist die unbeschwerte Anu auf der Suche nach einem Ort in der Stadt, an dem sie mit ihrem Geliebten intim sein kann. Eines Tages begeben sich Prabha und Anu auf einen Ausflug ans Meer. Dort stoßen sie auf einen mystischen Wald. Der Ort ist ein Raum der Freiheit und verhilft den Frauen zur Verwirklichung ihrer Träume.
Im Film gibt es zwei, auch visuell, sehr deutlich voneinander getrennte Teile: Im ersten Teil, der in Mumbai spielt und immer auch die Stadt selbst thematisiert, dominieren bläuliche, meist dunkle Bilder. Hier ist immer etwas los, sagen die Bilder: Umzüge, Prozessionen, Feuerwerk, Feste. Das ist Mumbai – die Stadt der Illusionen, über die es im Film heißt: „Du musst an die Illusion glauben, sonst wirst du verrückt.“ Diese drei Frauen glauben an die Illusion, sie sind ein Teil davon, aber frei sind sie trotzdem nicht. Stattdessen sind sie immer auch Teil der Traditionen, Konventionen und Rituale, die das Leben bestimmen. Am Meer lernen die drei eine andere Form des Lebens und des Miteinanders kennen. Aus diesem Gegensatz komponiert Payal Kapadia einen zu Teilen sehr poetischen, meditativen Film, der in seiner Gestaltung Vergangenheit und Zukunft verschmelzen lässt und den Weg in eine im wahrsten Sinne lichtvolle Richtung weist.
ALL WE IMANGINE AS LIGHT wurde von den Mitarbeitenden der renommierten britischen Filmzeitschrift „Sight and Sound“ zum besten Films des Jahres 2024 gewählt.
Frankreich, Indien, Niederlande, Luxemburg 2024; Regie: Payal Kapadia;
mit Kani Kusruti, Divya Prabha, Chhaya Kadam u.a.;
FSK 12; Länge: 115 Min.